Kommunizieren – aber richtig! Sprachbewusstsein entwickeln und besser miteinander reden
Elisa Morel
Kommunikation ist der Schlüssel zu (gegenseitigem) Verständnis und wir alle kommunizieren pausenlos. Da sollte man meinen, dass wir alle Meister in funktionierender Verständigung sind. Doch leider sieht die Realität oft anders aus und durch unsere Sprechakte kommt es immer wieder zu Missverständnissen, Streit und negativen Gefühlen.
© Gorodenkoff, Adobestock.com
In diesem Beitrag erfahren Sie, worauf es bei gelungener Kommunikation ankommt und wie Sie durch Selbstreflexion und Beobachtung mehr über Ihr Gegenüber erfahren – und vielleicht auch über sich selbst. So entwickeln Ihre Schülerinnen und Schüler frühzeitig ein Bewusstsein für Sprache und lernen auch sich selbst besser kennen.
Inhalt
1. Verbale vs. nonverbale Kommunikation
2. Die verschiedenen Kommunikationsmodelle
2.1 Das Vier-Seiten-Modell von Friedemann Schulz von Thun
2.2 Die 5 Axiome von Paul Watzlawick
2.3 Beispiele für gelungene und misslungene Kommunikation
3. Tipps für die Kommunikation mit Kindern
3.1. Regeln für die Kommunikation (nicht nur) für Kinder
Fun Fact: Was die Kopfneigung über uns verrät
Was fühlt sich für Sie natürlicher an: den Kopf nach rechts oder nach links zu neigen?
Wenn Sie ein Rechtsneiger sind, gehen Sie wahrscheinlich aufgeschlossen auf Menschen zu. Fühlt sich die Neigung nach links natürlicher an, sind Sie vermutlich eine eher vorsichtige, hinterfragende Person und bleiben lieber erstmal auf Distanz. Generell steht die Neigung nach rechts für Gefühle, die Neigung nach links für Vernunft.
Im Alltag neigen wir alle unseren Kopf mal zur einen, mal zur anderen Seite. Situationen, in denen wir unseren Kopf nach rechts neigen, sind z. B.:
- Sie hören jemandem, den Sie mögen, aufmerksam zu.
- Jemand äußert etwas, das Sie sehr gut nachvollziehen können.
- Sie fühlen sich verstanden.
Aber: Kontakt kann auch bedeuten, in einer Gefahrensituation die Konfrontation zu suchen. Provoziert Sie also jemand, wird der- oder diejenige wahrscheinlich auch den Kopf nach rechts neigen, wenn er / sie nicht nur nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“ blufft.
In folgenden Situationen neigen Menschen den Kopf nach links:
- Sie bezweifeln, dass Ihr Gegenüber die Wahrheit sagt.
- Ihr Gesprächspartner vertritt eine Meinung, die Sie nicht teilen.
- Sie fühlen sich unwohl oder unsicher in der Gegenwart Ihres Gegenübers.
Eine tolle Serie, um verbale und nonverbale Kommunikation zu studieren, ist übrigens „Hannibal“ mit Mads Mikkelsen. Beobachten Sie ansonsten einfach mal Ihr Umfeld (und sich selbst). Wir versprechen Ihnen, Sie werden staunen.
Die verschiedenen Kommunikationsmodelle
Es gibt viele verschiedene Kommunikationsmodelle. Begibt man sich z. B. im Internet auf die Suche, findet man sieben, die sich z. T. ergänzen oder überschneiden. Wir stellen Ihnen hier die beiden wohl bekanntesten und relevantesten Kommunikationsmodelle vor.
Das Vier-Seiten-Modell von Friedemann Schulz von Thun
Das wichtigste Element der Theorie des Kommunikationspsychologen Friedemann Schulz von Thun sind die vier Ebenen einer Nachricht:
- Sachebene. Was sagt der Sprecher ganz objektiv?
- Selbstoffenbarungsebene. Welche tieferliegenden Gefühle verbergen sich hinter der Äußerung?
- Beziehungsebene. Was drückt seine Äußerung über seine Beziehung zum Angesprochenen aus?
- Appellebene. Welches Verhalten möchte der Sprecher bei seinem Gegenüber hervorrufen?
Die vier Ebenen einer Nachricht anhand eines Beispiels
Laut Schulz von Thun hat jede Nachricht alle vier Ebenen – und zwar sowohl vonseiten des Senders als auch des Empfängers. Nehmen wir ein Alltagsbeispiel: Zwei Personen sitzen im Auto. In einiger Entfernung springt die Ampel auf Rot. Der Beifahrer sagt zum Fahrer: „Da vorne ist rot.“
Die Sachebene ist eindeutig: Die Ampel ist rot.
Auf der Selbstoffenbarungsebene heißt der Satz z. B.: „Mir ist unwohl, weil du so schnell fährst.“
Auf der Beziehungsebene bedeutet die Äußerung etwas wie: „Ich halte dich nicht für einen souveränen/ konzentrierten Fahrer.“
Die Appellebene lautet: „Tritt auf die Bremse!“
Auch beim Empfänger kommen alle vier Ebenen an. Die Sachebene ist für Sender und Empfänger identisch, doch die anderen drei Aspekte unterscheiden sich ein wenig bis stark.
Auf der Selbstoffenbarungsebene mag der Empfänger verstehen: „Aha, er/ sie hat Angst!“
Die Beziehungsebene der Nachricht lautet: „Er/ sie vertraut mir nicht und hält mich für inkompetent.“
Als Appell kommt beim Empfänger vielleicht an: „Konzentrier’ dich! / Schau’ auf die Straße! / Lass’ mich besser fahren! / Fahr langsamer! / Bau’ bloß keinen Unfall!“
Daher wäre eine klassische Entgegnung des Fahrers, wenn er sich bevormundet oder angegriffen fühlt: „Fährst du oder fahre ich?“, „Das sehe ich, ich bin ja nicht blind!“ oder „Ach, wirklich?“ Und diese Antwort könnte man nun wieder in die vier Ebenen gliedern: Wie der Angesprochene sie sendet und wie sie beim Empfänger ankommen.Die 5 Axiome von Paul Watzlawick
Paul Watzlawicks Kommunikationstheorie basiert auf fünf Grundregeln, Axiome genannt. Einige Aspekte decken sich mit dem Kommunikationsmodell von Schulz von Thun. Hier die fünf Axiome mit jeweils einer kleinen Erläuterung:
- Man kann nicht nicht kommunizieren.
Auch eine Nicht-Reaktion vermittelt eine Botschaft: Der Kollege, der mich nicht zurückgrüßt, das plötzliche Schweigen im Raum, wenn ich eintrete.
- Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt.
Wie ich zu meinem Gesprächspartner stehe, beeinflusst meine Kommunikation ihm gegenüber. Und die Beziehung meines Gegenübers zu mir hat einen Einfluss darauf, wie er meine Äußerung versteht. Wenn ich jemandem gegenüber wohlgesonnen bin, werde ich auch positiver mit ihm kommunizieren und ihn nicht lächerlich machen wollen. Und wenn mir der griesgrämige Nachbar ein Kompliment macht, werde ich misstrauisch und vermute, dass etwas anderes dahintersteckt.
- Kommunikation ist immer Ursache und Wirkung.
Person A beschwert sich, dass Person B so selten Zeit für sie hat. Person B hingegen zieht sich zurück, weil sie keine Vorwürfe von Person A mehr hören möchte. Und fertig ist der Teufelskreis, während beide Beteiligten glauben, der jeweils andere sei der Auslöser für das eigene Verhalten.
- Menschliche Kommunikation bedient sich analoger und digitaler Modalitäten.
„Digital“ bezeichnet hier die reine Information, während „analog“ den Beziehungsaspekt meint. Wenn jemand weint, sind seine Tränen oder sein Schluchzen digital. Doch erst im Zusammenhang mit der jeweiligen Situation und der Beziehung wird die Bedeutung der Tränen klar: Schmerz oder Erleichterung, Rührung oder Trauer, Freude oder Wut. Analoge Kommunikation ist also meistens mehrdeutig.
- Kommunikation ist symmetrisch oder komplementär.
Symmetrische Kommunikation bedeutet, dass beide Gesprächspartner ähnlich kommunizieren. Zwei Hitzköpfe, die sich anschreien, kommunizieren also genauso symmetrisch wie zwei besonnene Philosophen, die ein Problem erörtern.
Von komplementärer Kommunikation spricht man, wenn ein Ungleichgewicht herrscht, z. B. wenn ein Gesprächspartner einen deutlich höheren Redeanteil hat oder sich durch eine Wortwahl oder Sprachregister von seinem Gegenüber unterscheidet. Bei komplementären Kommunikationsvorgängen gibt es daher immer einen Überlegenen und einen Unterlegenen.
Wenn also Person A Person B um Rat fragt, erwartet man eine komplementäre Kommunikation: Der Ratsuchende hört nach Schilderung seines Problems zu, hat somit einen geringeren Redeanteil und ist inferior (unterlegen). Manchmal ist aber auch der Ratsuchende in einer durchaus komplementären Kommunikation der superiore (überlegene) Partner. Ein Beispiel aus der Literatur liefert Max Frischs Drama Andorra mit einer Szene, in der der Protagonist Andri Rat beim Pater sucht.
Beispiele für gelungene und misslungene Kommunikation
Wir alle kennen wahrscheinlich das eine oder andere Beispiel für misslungene Kommunikation, auch wenn man manchmal gar nicht genau benennen kann, woran sie letztendlich gescheitert ist. Bei jedem gescheiterten Kommunikationsverlauf lohnt es sich rückblickend, darüber nachzudenken, warum und wann der Dialog aus dem Ruder gelaufen ist.
- Ein geschlechterklischeebehafteter Klassiker
Person A seufzt oder flucht vor sich hin, räumt geräuschvoll Sachen herum etc. Person B fragt, was los sei. Person A antwortet: „Nichts, was soll denn los sein?!“, lässt aber durch ihren schnippischen oder aggressiven Tonfall keinen Zweifel daran, dass durchaus etwas los ist. Denn wahrscheinlich möchte sie, dass Person B selbst draufkommt, was nicht stimmt, weil in ihren Augen Person B der Grund ist, aus dem es ihr selbst nicht gut geht.
- Das Frühstücksei von Loriot
Ein Evergreen. Viel mehr können zwei Menschen kaum aneinander vorbeireden, eben weil sie permanent auf unterschiedlichen Ebenen kommunizieren. Schon zu Beginn äußert sich der Mann auf der Sachebene („Das Ei ist hart!“), obwohl er eine Aufforderung formulieren möchte. Wenig später eskaliert das kurze Gespräch, weil sich die Frau auf der Beziehungsebene angegriffen fühlt und als Selbstoffenbarung ihren Mann mit Vorwürfen überschüttet („Ich stehe den ganzen Tag in der Küche, mache die Wäsche […]“).
Dieser Dialog ist auch eine super Übung, um sich die vier Ebenen der jeweiligen Nachrichten vor Augen zu führen und zu überlegen, an welchen Punkten die beiden Beteiligten anders hätten reagieren können, um den Point of no Return zu vermeiden.
So sehr wir über solche Sketche lachen mögen – allzu oft erkennen wir uns selbst oder andere darin wieder. Und dann ist es eben nicht mehr lustig, sondern anstrengend und belastend.
- Die Geschichte mit dem Hammer von Paul Watzlawick
Auch wenn es in dieser kleinen Geschichte nicht um Sprechakte geht, verrät sie eine Menge über die Beziehungs- und Selbstoffenbarungsebene. Ganz offensichtlich hegt der Protagonist der Geschichte entweder Ressentiments gegen seinen Nachbarn und projiziert sie auf sich selbst, oder er leidet an Selbstzweifeln und überträgt diese auf seinen Nachbarn.
Diese Episode ist ein tolles Beispiel dafür, wie unsere eigenen Emotionen oder Vorurteile oder unser Selbstbild uns gelegentlich ein Bein stellen. Natürlich läuft das meistens nicht so überspitzt ab wie in Watzlawicks Geschichte, doch oft verblüffen wir unser Gegenüber mit objektiv unpassenden oder übertriebenen Reaktionen – weil bei uns auf anderen Ebenen mehr passiert, als wir klar nach außen kommunizieren.
- Wie siehts denn hier aus?
Tja, offensichtlich nicht so, wie der Sprecher es wünscht. Das sagt er aber nicht. Und dann kann der Angesprochene ihm leider nicht helfen. Denn selbst wenn er ihn auf der Sachebene versteht bzw. den versteckten Vorwurf ignoriert und auf der Sachebene antwortet („Total chaotisch, ich weiß!“), wird er ihn wahrscheinlich noch mehr gegen sich aufbringen („Und das findest du wohl auch noch lustig, oder was?!“), obwohl er die Frage nur wahrheitsgemäß beantwortet, also alles richtig gemacht hat.
Einfacher ist es also, klar zu kommunizieren, was man möchte, und sein Gegenüber nicht raten zu lassen, denn das kann nur schiefgehen. „Oh, hier musst du gleich mal aufräumen“ ist also deutlich zielführender, da sich hier Sach- und Appellebene decken, weil man einfach klar äußert, was man will.
Tipps für die Kommunikation mit Kindern
Kommunikation ist Grundlage eines jeden Schultages und muss daher reibungslos funktionieren. Darum haben wir ein paar Anregungen für Sie zusammengestellt, die Ihnen dabei helfen, Ihre Kinder zu verstehen – und umgekehrt.
- Keine widersprüchlichen Botschaften
Achten Sie unbedingt darauf, dass Ihre Mimik und Körpersprache Ihre Aussagen unterstreichen, anstatt ihnen zu widersprechen. So vermeiden Sie Verwirrung seitens der Kinder. Abgesehen davon sollte man, wenn man feststellt, dass die nonverbalen Signale nicht mit der verbalen Botschaft übereinstimmen, darüber nachdenken, woran es liegt – und es daraufhin ändern.
Sich widersprechende Botschaften werden in der Psychologie als Double Bind (Doppelbindung) bezeichnet und verunsichern Gesprächspartner, vor allem natürlich Kinder, zutiefst. Das kann weitreichende und schwerwiegende Folgen haben, da der Empfänger solcher Doppelbotschaften seine eigene Wahrnehmung infrage stellt und sich selbst schlimmstenfalls nicht mehr über den Weg traut.
Wie Sie widersprüchliche Botschaften erkennen und vermeiden lesen Sie in unserem Blog-Beitrag zum Thema Double-Binding.
- Ich-Botschaften
„Du hast deine Hausaufgaben (schon wieder) nicht gemacht“ oder „Ihr seid viel zu laut“ sind Du- bzw. Ihr-Botschaften. Versuchen Sie es stattdessen mit Ich-Botschaften: „Ich sehe, dass du deine Hausaufgaben nicht gemacht hast. Daher frage ich mich, woran das liegt. Hast du die Aufgabe nicht verstanden oder hat dich etwas davon abgehalten?“ Gern können Sie auch einen Appell hinzufügen, z. B. „Beim nächsten Mal möchte ich, dass du einfach noch mal nachfragst, wenn du dir unsicher bist, denn sonst fehlt dir die Übung für die nächste Arbeit“.
Stellen Sie also Ihre eigenen Gefühle und Wünsche in den Vordergrund. Die meisten Kinder werden verstehen, dass Sie den Unterrichtsstoff nicht erklären können, wenn ein hoher Lärmpegel herrscht. Und vielleicht hat die Unruhe ja auch einen nachvollziehbaren Grund, beispielsweise eine Klassenarbeit in einem anderen Fach in der folgenden oder vorangegangenen Stunde. In diesem Fall können Sie den Kindern auch ein paar Minuten Zeit geben, um darüber zu reden und ggf. offene Fragen zu klären.
- Blickkontakt
Seinem Gesprächspartner in die Augen zu schauen, ist eine Selbstverständlichkeit und garantiert Ihnen die Aufmerksamkeit Ihres Gesprächspartners. Außerdem merken Sie so viel schneller, wenn etwas nicht stimmt, denn die Redewendung „jemandem nicht in die Augen schauen können“ beruht auf Tatsachen: Wer sich unwohl fühlt oder etwas verbergen will, meidet Blickkontakt mit seinem Gegenüber.
- Paraphrasieren
Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob Sie Ihre Kinder verstehen, fassen Sie die Aussage in Ihren eigenen Worten zusammen und fragen Sie nach. Das führt dazu, dass die Kinder sich ernst genommen fühlen, und hilft ihnen auch dabei, sich immer klarer und differenzierter auszudrücken.
- Keine Pauschalisierungen, keine Vorwürfe
„Immer macht ihr“, „Du hast nie“ usw. sind natürlich tabu. Bleiben Sie möglichst wertfrei und neutral in Tonfall sowie Wortwahl und bei Aufregung am besten komplementär zu Ihren SuS: Je lauter und emotionaler es zugeht, umso eher sollten Sie der ruhende Pol sein.
- Respekt
Abschließend: Respekt ist unerlässlich. Und gerade gegenüber Kindern kommt man leicht in Versuchung, ihn zu vernachlässigen – vor allem, wenn die Nerven mal blankliegen. Ein guter Tipp dagegen ist, sich zu fragen: Würde ich so auch mit meinem Partner / Kollegen / meiner Mutter reden? Wenn die Antwort Nein ist, suchen Sie nach besseren Worten und dem richtigen Ton, denn es gilt gleiches Recht für alle. Denn nur wer andere respektiert, kann auch selbst Respekt erwarten.
Regeln für die Kommunikation (nicht nur) mit Kindern
Auch viele Erwachsene tappen immer wieder in dieselben kommunikativen Fallen, vor allem dann, wenn Emotionen wie Wut oder Unausgesprochenes hinzukommen. Reden hilft tatsächlich, aber nur, wenn man weiß, wie. Anderenfalls eskaliert die Situation leicht, die Fronten verhärten sich noch weiter und vielleicht ist irgendwann gar keine Kommunikation mehr möglich.
Hier finden Sie ein paar Denkanstöße, die Sie vielleicht dazu nutzen, Ihr eigenes Verhalten oder auch das Ihrer Mitmenschen zu reflektieren. Denn gerade beim Thema Kommunikation gilt: Nobody’s perfect. Aber dazulernen können wir alle.
- Sachebene, Sachebene, Sachebene
Laut Eisberg-Modell (einem der bekanntesten Kommunikationsmodelle, zu dessen Wegbereitern Freud zählte) macht die Sachebene nur 10 bis 20 Prozent der Kommunikation aus, die Beziehungsebene hingegen den Rest. Da ist es kein Wunder, dass funktionierende Kommunikation so schwierig ist und es immer wieder zu Missverständnissen kommen kann.
Sprechen Sie aus, was Sie fühlen und denken. Das klingt einfach, erfordert aber Übung und Überwindung. Doch es lohnt sich: Es entstehen deutlich weniger Konflikte, wenn Sie aussprechen, was Sie auf der Beziehungsebene empfinden oder sich im Zweifel sowieso über die Selbstoffenbarungsebene preisgibt. Zudem werden Sie sich so auch selbst über Ihre eigenen Wünsche und Motive klarer.
Gleichzeitig machen Sie es so natürlich auch all Ihren Gesprächspartnern viel leichter, wenn diese sich vielleicht nicht so bevorzugt auf der Beziehungsebene befinden oder Sie einfach nicht gut genug kennen, um erraten zu können, was Sie eigentlich sagen möchten. Bringen Sie also Ihre Empfindungen aus dem Schatten der Beziehungsebene ins Licht der Sachebene. Und sprechen Sie gern auch die Dinge direkt an, die Sie auf der Selbstoffenbarungsebene empfinden und dementsprechend entweder durch Mimik und Gestik oder auch durch eine verletzte, schnippische Äußerung sowieso indirekt mitteilen würden.
Konkret kann das so aussehen: Ein Kollege sagt Ihnen bei Ihrer Rückkehr an die Schule, dass Sie aber lange krank waren. Das mag die Wahrheit sein, wird jedoch von den meisten Menschen als Angriff verstanden und löst somit entweder einen Gegenangriff („Was willst du damit sagen? Meinst du, ich habe mir das ausgesucht?“) oder eine Rechtfertigung aus („Ja, also erst hatte ich mir ja die Hand gebrochen und dann kam auch noch diese Rückengeschichte dazu, da hatte ich echt Pech!“). Beides ist weder zielführend noch erforderlich – und vielleicht auch nicht das, was Ihr Kollege hören will.
Wenn Sie mit diesem Kollegen nicht viel zu tun haben oder ihn nicht mögen, also davon ausgehen, dass keine nette Absicht hinter seiner Bemerkung steckt, reicht z. B. ein lächelndes, knappes „Stimmt“. Wenn Sie sich angegriffen fühlen, sagen und begründen Sie das einfach: „Ich fühle mich von deiner Aussage angegriffen, weil ich das Gefühl habe, dass du bezweifelst, dass ich wirklich krank war. Ist das so?“
So finden Sie heraus, was Ihr Gegenüber mit der Frage erreichen will. Hat er vielleicht Ihr Arbeitspensum aufgefangen und wünscht sich dafür Anerkennung? Oder freut er sich einfach, dass Sie nach längerer Zeit wieder gesund und munter an Bord sind?
- Indikativ statt Konjunktiv
Sagen wir, Person A äußert, sie habe keine Lust, etwas Bestimmtes zu erledigen. Person B antwortet darauf: „Ich könnte das auch machen.“ Durch diese Formulierung im Konjunktiv bleibt nicht nur Person A darüber im Unklaren, ob Person B es denn nun auch wirklich tut, sondern versteht auch, dass Person B selbst keine Lust hat und seine Hilfe daher nur zögerlich anbietet.
„Ich mache das“ klingt da gleich ganz anders und die Situation ist gelöst. Ein „Verstehe ich, ich habe auch keine Lust“ ist aber genauso okay. Denn wenn Person A in Wahrheit nicht nur ihren Unmut ausdrücken wollte, sondern gehofft hat, Person B werde ihr die Erledigung abnehmen, dann hätte sie das – Überraschung! – eben auch sagen müssen.
- Keine Füllwörter
„Hast du Lust, ins Theater zu gehen?“ ist eine präzise Frage. „Im Prinzip schon“ ist allerdings keine präzise Antwort und bringt niemanden weiter, sondern höchstens einen Konflikt ins Rollen. „Eigentlich nicht“ fällt in dieselbe Kategorie, da der Sprecher seine Aussage auch hier relativiert bzw. einschränkt, sodass niemand daraus schlau wird.
Verzichten Sie also auf jegliche Füllwörter. Tatsächlich hilft klares Sprechen auch dabei, klarer zu denken. Bitten Sie im Zweifelsfall einen Freund, in der nächsten Zeit auf Ihr Sprachbild zu achten und Sie auf Füllwörter hinzuweisen, denn oft ist man sich des eigenen Sprechverhaltens wenig bewusst. Und nach einigen Tagen wird es Ihnen dann selbst auffallen, wenn Sie „prinzipiell“, „im Grunde genommen“, „ziemlich“, „sozusagen“ und weitere Floskeln verwenden. Dann ist es nur noch ein kleiner Schritt bis zum Verzicht auf nichtssagende Wörter.
- Keine Verneinungen
Unser Gehirn gerät bei Verneinungen in einen Konflikt, da die rechte Hirnhälfte das Bild erzeugt, während die linke die Verneinung verarbeitet. Resultat ist ein Widerspruch. Daher denken wir nach der Aufforderung, nicht an rosa Kängurus zu denken, an rosa Kängurus, auch wenn wir es nicht wollen.
Rufen Sie also einem Kind, das auf die Straße rennt, „Nicht rennen“ zu, wird es wahrscheinlich noch ein paar Meter weiterrennen, während sein Gehirn die Information verarbeitet. Effektiver ist also „Stopp!“ oder „Bleib stehen!“.
Probieren Sie es einmal selbst an folgendem Satz aus. Wie lange brauchen Sie, um seinen Inhalt zu verstehen? „Es ist nicht unwichtig, dieses Thema nicht unvorbereitet anzugehen, damit man nicht erfolglos abschneidet.“ Die positive Formulierung hingegen verstehen wir ohne Verzögerung: „Es ist wichtig, sich auf dieses Thema vorzubereiten, damit man erfolgreich abschneidet.“
Streichen Sie also Verneinungen so weit wie möglich aus Ihrem Sprachschatz. Die meisten Aussagen lassen sich mit etwas Routine im Handumdrehen positiv formulieren. „Ich bin sicher, du schaffst das!“ klingt doch auch viel besser als „Du musst nicht nervös sein, so schwierig ist das nicht!“.
- Aufforderungen statt Fragen
„Kannst du bitte das Fenster schließen?“ mag höflich klingen, lässt dem Angesprochenen aber die Freiheit, die Frage zu verneinen. „Bitte schließe das Fenster“ ist also eindeutig die bessere Lösung. Wenn ich ein bestimmtes Verhalten bei meinem Gegenüber erreichen will, müssen sich Sach- und Appellebene also decken. Und ein subtiles „Ist dir auch so kalt?“ führt auch nicht zwangsläufig zu einem geschlossenen Fenster. Machen Sie sich das Leben also einfach und sagen Sie, was Sie wollen.
- Du bist schuld!
Schuldsein und Rechthaben sind Tabus in der Kommunikation miteinander. Es bringt niemanden weiter, dass Person A angeblich schuld ist, während Person B angeblich recht hat. Und wenn Person B das anders sieht, sollte sie sich fragen, warum es ihr wichtig ist, sich über Person A zu stellen.
Fazit
Das Wissen darüber, wie Kommunikation funktioniert, ist ein mächtiges Instrument in Bezug auf jede zwischenmenschliche Beziehung – auch außerhalb des Klassenraums oder Berufs. Wer sein Gegenüber lesen kann, ist im Vorteil. Und wer sich selbst reflektiert und seine (Körper-)Sprache beobachtet, ist anderen meistens einen Schritt voraus.
Es hat also nur Vorteile, sich eingehend mit den verschiedenen Facetten von Kommunikation zu befassen. Abgesehen davon ist es auch einfach spannend, sein Umfeld diesbezüglich zu studieren und zu lernen.
Lesen Sie mehr:
Kotzur, Pia: 9 Regeln für die Kommunikation mit Kindern, netmoms.de, 08.09.2020:
https://www.netmoms.de/magazin/kinder/erziehung/9-regeln-fuer-die-kommunikation-mit-kindern/
Loriot: Das Frühstücksei (Text PDF), ouvertuere.org
http://www.ouvertuere.org/doc/Das_Fruehstuecksei.pdf
Miller, Brigitte: Körpersprache deuten: Das ABC der Körpersprache, business-netz.com, 14.09.2011
https://www.business-netz.com/Kommunikation/Koerpersprache-deuten-ABC-der-Koerpersprache
Paul Watzlawick Website: Die Axiome von Paul Watzlawick, paulwatzlawick.de, 06.2014
https://www.paulwatzlawick.de/axiome.html
Schulz von Thun Institut: Das Kommunikationsquadrat, schulz-von-thun.de
https://www.schulz-von-thun.de/die-modelle/das-kommunikationsquadrat
SpeechCare: Wie Verneinungen unser Gehirn verwirren, 20.11.2015:
https://www.speechcare.de/news/wie-verneinungen-unser-gehirn-verwirren/
Watzlawick, Paul: Die Geschichte mit dem Hammer, in Watzlawick, Paul: Anleitung zum Unglücklichsein, 1983:
https://spz-kummenberg.vobs.at/fileadmin/user_upload/Texte/Elternbriefe/Watzlawick_Paul_-_Die_Geschichte_mit_dem_Hammer.pdf
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