Zartbesaitet: Hochsensibilität erkennen und verstehen
Elisa Morel
Hochsensible Menschen, auch „HSP“ für „Highly Sensitive Person“ genannt, nehmen ihre Umgebung mit allen Sinnen intensiver wahr. Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu 20 % aller Menschen hochsensibel sind. Die Intensität der Ausprägung kann allerdings stark variieren. Allgemein gilt: Je stärker die Veranlagung zu Hochsensibilität ist, umso mehr Probleme haben Betroffene im Alltag.
© Snezana Skundric, Adobestock.com
In diesem Beitrag erfahren Sie, wie sich Fluch und Segen von Hochsensibilität für Betroffene und deren Umfeld äußern können, wie HSP die Welt wahrnehmen und wie Sie hochsensiblen Kindern dabei helfen, ihre Talente in einer verständnisvollen, reizarmen Umgebung zu entdecken und ihr Selbstwertgefühl zu steigern.
Inhalt
1. Was bedeutet Hochsensibilität?
1.1. Merkmale von HSP
1.2. Probleme durch Hochsensibilität
1.3. Vorteile von Hochsensibilität
Umgang mit Hochsensibilität
Vielleicht denken Sie schon jetzt, dass sich in Ihrer Klasse ein oder mehrere hochsensible Kinder befinden könnten. Aber auch, wenn das nicht der Fall sein sollte, lohnt sich eine intensivere Beschäftigung mit diesem spannenden Thema. Wissen ist Macht und hilft, Betroffene zu verstehen bzw. zu unterstützen.
Fragen Sie nach – und staunen Sie
Wann auch immer HSP ihre Wahrnehmung in Worte fassen, sind sie darin recht präzise und nachvollziehbar. Es kann z. B. vorkommen, dass ein Kind räumliche Verhältnisse beim Malen anders darstellt, als Sie es erwarten. Vielleicht zeichnet ein rechtshändiges Kind z. B. sich selbst mit einem Stift in der linken Hand, wenn man aufs Bild schaut. Als Begründung sagt es, dass es doch aus dem Bild herausschaut und somit den Stift in seiner rechten Hand hält – eine erstaunliche empathische Leistung.
Bleiben Sie neugierig und aufgeschlossen
In vielen Situationen müssen Sie sich erst in die unterschiedliche Wahrnehmung hineinversetzen, was am Anfang nicht ganz einfach ist. Personen, die nicht hochsensibel sind, ziehen manche Gründe, die das Verhalten hochsensibler Personen erklären und für diese auch auf der Hand liegen, erst gar nicht in Betracht, weil sie schlicht nicht darauf kommen. Denn wer von uns erschnuppert schon das neue Deo eines Arbeitskollegen auf fünf Meter Entfernung? Oder sieht mit bloßem Auge, dass ein Winkel in einem Raum 92 statt 90 Grad beträgt, was er als äußerst störend empfindet?
Aber nur, weil die Grenzen der durchschnittlichen menschlichen Wahrnehmung recht eng sind, heißt es nicht, dass die Welt jenseits unserer eigenen Beschränktheit aufhört, denn sonst bräuchte die Menschheit ja auch keine Spürhunde.
Akzeptieren Sie persönliche Empfindungen und Grenzen
Was ich fühle, stimmt für mich. Das ist eine wichtige Maxime in jeglicher zwischenmenschlichen Beziehung. Kein Mensch hat das Recht, die Empfindungen eines anderen infrage zu stellen, auch wenn er sie nicht teilt oder noch nicht einmal nachempfinden kann.
Wenn Soße auf dem Teller also „doof“ oder „eklig“ ist, fragen Sie nach und geben dem Kind die Möglichkeit, bei Bedarf die Soße in einem separaten Schälchen zu bekommen. Und wer Kreidestaub auf der Haut nicht erträgt, sollte niemals dazu gezwungen werden, an der Tafel vorzurechnen, geschweige denn deswegen der Lächerlichkeit preisgegeben oder gezwungen werden, Handschuhe zu tragen, was für viele Hochsensible eine ähnliche Qual ist wie der Kreidestaub an sich.
Viele HSP essen außerdem äußerst ungern in Gesellschaft, weil sie die Kaugeräusche oder das Essen anderer (Aussehen, Form, Geruch) als, gelinde ausgedrückt, unappetitlich empfinden. Geben Sie diesen Kindern also die Möglichkeit, sich zum Essen zurückzuziehen. Sie selbst nehmen anderer Leute Kaugeräusche wahrscheinlich noch nicht einmal wahr, während dieser Umstand für manche Hochsensible ähnlich fürchterlich ist wie für die meisten von uns das Kratzen von Fingernägeln auf einer Schultafel.
Was also für andere Menschen wie eine Lappalie wirkt, macht für HSP mitunter einen großen Unterschied und hat einen enormen Effekt auf ihr Wohlbefinden. Sie vergeben sich also nichts dabei, den Kindern einen winzigen Schritt entgegenzukommen und sie in ihrer Wahrnehmung ernst zu nehmen.
Zeigen Sie den Kindern ihre Stärken
Viele Hochsensible haben nicht nur kein Bewusstsein für ihre Stärken, sondern empfinden sie im Gegenteil als Schwächen, weil sie dafür verantwortlich sind, anders zu sein, anders wahrgenommen zu werden und andere Bedürfnisse zu haben. Wenn hochsensible Kinder und auch Erwachsene hingegen die Chance haben, ihre Neigungen innerhalb ihrer Komfortzone auszuleben, blühen sie meistens regelrecht auf.
Bieten Sie den Kindern also unterschiedliche Impulse an, vor allem bezogen auf musische Dinge und Sinnesempfindungen, sowie die Möglichkeit, sich alleine und vielleicht sogar an einem stillen Ort damit zu beschäftigen. Bei vielen Kindern zeigt sich früh, wo ihre Interessen liegen – z. B. Sprache, Malen, Musik oder bildende Kunst –, sodass Sie den Kindern gezielt die Gelegenheit geben können, zu tun, was sie lieben.
Gleichzeitig können Sie die Kinder auch nach ihrer Meinung zu möglichen Konflikten oder Streitigkeiten in Ihrer Gruppe befragen, wenn die HSP sich sicher und akzeptiert genug fühlen. Aufgrund ihrer ausgeprägten Empathie und ihres Harmoniebedürfnisses verhelfen sie so oft anderen zu erstaunlichen und hilfreichen Einsichten.
Schaffen Sie Wohlfühlbereiche für die Kinder
Alles, was laut, ruppig, grell usw. ist, wird Hochsensiblen schnell zu viel. Das haben sie mit den meisten Menschen gemeinsam, nur dass unsere Schmerzgrenze deutlich höher liegt. Sorgen Sie also im Sinne aller für eine entspannte Atmosphäre, in der nicht geschrien wird und generell wenig Unruhe herrscht. Erlauben Sie HSP, sich bei ausgelasseneren Aktivitäten auszuklinken, wenn ihre Grenze erreicht ist. Vielleicht gibt es in Ihrer Einrichtung oder auch in Ihrem Gruppenraum Ruhezonen wie einen Snoezelen-Raum oder eine Leseecke, in die sich die Kinder bei Bedarf zurückziehen können, statt an einem wilden Bewegungsspiel teilzunehmen.
Abschließend empfehlen wir Ihnen, sich drei Minuten Zeit für die 39 Fragen des Hochsensibilitätstests zu nehmen, um einen weiteren Einblick in die Gefühls- und Gedankenwelt hochsensibler Personen zu gewinnen. Auch das Buch von Georg Parlow zum Thema ist eine spannende Lektüre. Und auf der Webseite www.zartbesaitet.net kann man mit Leichtigkeit ganze Tage verbringen und immer wieder staunen.
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Lesen Sie mehr:
Innovative Initiative für ein Schulkonzept zur Potenzialentwicklung:
https://schule-im-aufbruch.de
Kostenlose Leseprobe der ersten vier Kapitel von Georg Parlow: Zartbesaitet: Selbstverständnis, Selbstachtung, und Selbsthilfe für hochsensible Menschen:
https://www.festland-verlag.com/inhaltsverzeichnis.7145.html
Fuchs, Petra: Hochsensibilität oder AD(H)S? Erfahrungen einer Heilpraktikerin, 11.11.2020:
https://www.zartbesaitet.net/hochsensibilitaet-oder-adhs-erfahrungen-einer-heilpraktikerin/
HSP-Test für Interessierte:
https://www.zartbesaitet.net/survey/site.php?a=su_onepage&su_id=1
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