Sinnesförderung im Kindergarten: So gestalten Sie einen spannenden Barfuß-Sinnespfad
Christine Hagemann
Für Kinder sind die Sinne der Zugang zur Welt. Ihre frühen Sinneserfahrungen bilden die Basis für alles Lernen. Darum ist die Sinnesförderung im Kindergarten so wertvoll.
© Maik, Adobestock.com
Vom ersten Tag an wollen Kinder mit allen Sinnen ihre Umwelt entdecken. Und immer ist Bewegung im Spiel. Die sensomotorischen Erfahrungen, die das Kind in den ersten Lebensjahren macht, prägen die gesamte Entwicklung. Aber in der heutigen Welt droht Kindern nicht nur Bewegungsmangel, ihnen fehlen auch körpernahe Sinneserfahrungen.
Im Alltag kommt besonders ein Sinnesorgan oft zu kurz: die Füße. Babys erleben taktile Sinnesreize ganz natürlich mit Händen und Füßen. Doch sobald Kinder laufen, stecken ihre Füße viel zu oft in Schuhen. Bringen Sie die Füße an die frische Luft. Lesen Sie im Folgenden, wie Sie einen Barfuß-Sinnespfad mit einfachen Mitteln und kostengünstig selbst bauen.
Inhalt
1. Darum ist frühe Sinnesförderung im Kindergarten wichtig
1.1 Sinneswahrnehmung und Bewegung gehören zusammen
1.2 Sinneserfahrungen verbessern die Denkfähigkeit
2. Sinnesförderung praktisch: ein Fußfühlpfad in der Kita
2.1 Barfußlaufen tut Körper und Seele gut
2.2 Die Natur mit den Füßen fühlen
3. Wie gestalte ich einen Barfuß-Sinnespfad? Tipps für draußen und drinnen
3.1 Ein dauerhafter Barfußpfad im Außenbereich
3.2 Hölzerne Rahmen für den flexiblen Einsatz
3.3 Ein Barfußparcours auf Vliesbahnen
3.4 Fußfühlpfade im Gruppenraum
Sinneserfahrungen verbessern die Denkfähigkeit
In den ersten sieben Lebensjahren lernen Kinder sensomotorisch. Erst allmählich entwickelt sich die Fähigkeit des abstrakten Denkens. Somit basiert das Fühlen und Denken jedes Menschen auf Sinneserfahrungen der frühen Kindheit. Sie bilden die Grundlage für komplexe Denkprozesse, auch für das Erlernen von Lesen, Schreiben und Rechnen in der Schule.
Sinnliche Wahrnehmung: Was passiert im Gehirn?
Die Sinnesorgane vermitteln Informationen, die das Gehirn sortiert und ordnet. Daraus entstehen Wahrnehmungen von Farben, Formen, Tönen, Geschmack, Geruch, Empfindungen und Lernprozesse. Intensive Sinnesreize regen die Neuronen an, Brücken auszubilden. Jede neue Verbindung fügt neue Elemente zu den sensorischen und motorischen Möglichkeiten des Kindes hinzu. Mehr Nervenverbindungen bedeuten größeres Lernvermögen. Und das macht wahre Intelligenz aus.
Quelle: Jean Ayres: Bausteine der kindlichen Entwicklung, S. 64 f.
Entwicklungspsychologen stellen fest: Kognitive Kompetenz kann ein Kind nur dann entwickeln, wenn es sich aktiv handelnd mit Dingen aus seiner Umwelt auseinandersetzt. Ältere Kinder und Erwachsene bauen nicht mehr so leicht neue sensorische Verbindungen im Gehirn auf. Daher gehört die frühe Sinnesförderung zu den wesentlichen Aufgaben der Elementarpädagogik.
Sinnesförderung praktisch: ein Fußfühlpfad im Kindergarten
Kita-Erzieherinnen und -erzieher wissen, wie entscheidend eine breitgefächerte Sinnesförderung für die kindliche Entwicklung ist. Kinder wachsen heute in einer Welt voller visueller und akustischer Reize auf. Und erleben immer weniger elementare, körperlich-sinnliche Erfahrungen. Doch alle Sinne brauchen Anregung, damit sie nicht aus der Übung kommen.
Übungen und Spiele zur Sinnesförderung verbessern zudem die Fähigkeit zur Aufmerksamkeit. Vielen Kindern fällt es schwer, aufmerksam und konzentriert wahrzunehmen. Doch gerade diese Fähigkeit ist der Schlüssel für erfolgreiches Lernen. Darüber hinaus verhelfen Sinnesspiele Kindern dazu, auch zukünftig sinnenreich zu leben.
Barfußlaufen tut Körper und Seele gut
Während die Kleinsten ganz natürlich mit ihren Zehen – genauso wie mit den Händen – greifen, streicheln und tasten, bleiben älteren Kindern dafür meist nur noch die Finger. Auf ihren Füßen laufen sie, und das viel zu oft in Schuhen.
Im Kindergarten können Sinnesspiele draußen und drinnen die Sinneswahrnehmung fördern, indem sie Kindern differenzierte Reize und Möglichkeiten zum selbstständigen Erproben anbieten. Was wäre dazu besser geeignet als ein Sinnespfad? Ganz besonders, weil die Kinder dabei barfuß laufen.
Barfußlaufen hat nachweislich wohltuende Wirkung:
- Die meisten Alltagsschuhe sind schon bei Kindern der Grund für Fußdeformationen wie Knick-, Senk- oder Spreizfüße, weil manche Fußmuskeln fast gar nicht mehr bewegt werden. Wer dagegen ohne Schuhe läuft, trainiert viele kleine und große Fußmuskeln.
- Barfußlaufen ist nicht nur gesünder, es steigert auch das Wohlbefinden. Die verspannungslösende Wirkung ist auf die Vielzahl an Nervenrezeptoren an den Füßen zurückzuführen. Studien konnten die angstlösende und beruhigende Wirkung
- Die Stimulation an den Fußsohlen wirkt sich positiv auf die inneren Organe aus. Was dabei genau abläuft, wird noch erforscht. Mediziner sprechen von Reflexbögen und vermuten Verschaltungen über Faszien im Körper.
- Barfußlaufen vermittelt ein intensiveres Körpergefühl, fördert Koordination, Gleichgewichtssinn und Aufmerksamkeit. Eine gute Übung zur Verbesserung der Sensomotorik und Kognition.
- Wohltuend ist überdies, dass genaue Sinneswahrnehmung den Alltag entschleunigt. Wer bewusst auf seine Empfindungen achtet, erlebt dabei eine gewisse Gemächlichkeit, die ihm hilft, seine innere Balance zu finden.
Die Natur mit den Füßen fühlen
Ein Kerngedanke des Fühlpfads ist, die Natur in unmittelbarer, hautnaher Berührung zu erleben.
Kinder machen heute immer weniger direkte Erfahrungen mit der Natur. Beim Barfußgehen erspüren sie sich selbst im Kontakt der Füße mit verschiedenen Materialien besonders intensiv.
Wie gestalte ich einen Barfuß-Sinnespfad? Tipps für Fühlpfade draußen und drinnen
Für die Anlage eines Sinnespfads im Außenbereich ist eine Rasenfläche optimal. Aber auch im kleinen Garten oder auf gepflasterten Flächen findet sich ein Platz. Und selbst im Gruppenraum lässt sich ruckzuck ein toller Fußfühlparcours gestalten. In jedem Fall ist der Spaßfaktor riesig.
Gestalten Sie den Fühlpfad immer so, dass sich Materialien mit starken Reizen und solche mit schwachen Reizen abwechseln. Im Folgenden haben wir für Sie verschiedene Möglichkeiten der Anlage zusammengestellt:
Ein dauerhafter Barfußpfad im Außenbereich
Ein fest errichteter Sinnespfad hat den Vorteil, dass er allen Kindern jederzeit zur Verfügung steht. Die Vorbereitungsarbeiten sind dafür etwas umfangreicher. Daher sollten Sie bereits bei der Planung die Eltern ins Team holen. Bestimmt sind viele von diesem Projekt zur Sinnesförderung begeistert und gerne bereit, tatkräftig mit anzupacken.
Nachdem der Verlauf des Pfads abgesteckt ist, wird der Boden ausgehoben und der Untergrund befestigt. Als Einfassung eignen sich Holzbalken oder Bausteine. Auch die einzelnen Felder sollten Sie auf diese Weise abteilen, damit sich die Materialien später beim Laufen nicht vermischen.
Tipp: Der Barfußpfad im Garten lässt sich wunderbar mit einer Duftinsel kombinieren. Beispielsweise indem Sie den Pfad im Rondell rund um ein Beet mit duftenden Blumen anlegen.
Das Material in den einzelnen Feldern lässt sich leicht austauschen. Besonders gut eignen sich Materialien, die das ganze Jahr über draußen verbleiben können. Beispiele:
- Kies
- Sand
- Holzscheiben
- Kopfsteinpflaster
- Dachziegel
- Rindenmulch
- Moos
- Fichtenzapfen
- Kastanien
- Korken
- Teichfolie für eine Stelle zum Matschen
Tipp: Veranstalten Sie einen Aktionstag, an dem alle gemeinsam den Pfad fertigstellen. Die Kinder beteiligen sich bestimmt mit Feuereifer beim Einbringen der Materialien. Das ist schnell geschafft, sodass die Kinder noch genügend Zeit haben, den Pfad auszuprobieren. Weitere mögliche Angebote zur Sinnesförderung an diesem Tag sind: Tastkästen, Klangspiele, Stelzen, Wackelbretter.
Fußfühlpfade im Gruppenraum
Die Kinder laufen im Gruppenraum auch sonst ohne Schuhe, doch auf dem Sinnespfad geht es ums genaue Hinfühlen. Geeignet sind die gleichen Materialien wie draußen. Damit sich das lose Material nicht im ganzen Raum verteilt, füllen Sie es in Behälter wie etwa flache Kunststoffschalen. Oder Sie nehmen große runde Pflanzkübel-Untersetzer.
Wenn Sie lieber ganz auf lose Materialien verzichten möchten, gibt es prima Alternativen:
- Teppichbodenfliesen
- Holzbretter
- Fußmatten aus Sisal oder Kokosfasern
- Fußabtreter mit Bürsten oder Noppen
- zerknülltes Papier
- Stoffreste, Filzmatten
- Wolldecke
- Bastelwatte
Strümpfe aus und los gehts! Bitten Sie die Kinder zu beschreiben, was ihre Füße erspüren. Wie fühlt sich das an? Warm oder kalt, rau oder glatt, stechend oder flauschig weich. Die Mutigen trauen sich mit verbunden Augen – und etwas Hilfestellung – auf den spannenden Barfußpfad.
Zum Weiterlesen:
Jean Ayres: Bausteine der kindlichen Entwicklung. Die Bedeutung der Integration der Sinne für die Entwicklung des Kindes. Berlin: Springer 62016.
Lorenz Kerscher: Barfuß werden wir beweglich. Anleitungen für Sporterziehung, Therapie, Naturerfahrung und Familienspaß. Halle: Fidibus 2014.
Herbert Renz-Polster, Gerald Hüther: Wie Kinder heute wachsen – Natur als Entwicklungsraum. Ein neuer Blick auf das kindliche Lernen, Fühlen und Denken. Weinheim: Beltz 2013.
Hedwig Wilken: Kursbuch Sinnesförderung. So lernen Kinder sinnenreich leben. München: Don Bosco 2003.
Renate Zimmer: Handbuch Sinneswahrnehmung. Grundlagen einer ganzheitlichen Bildung und Erziehung. Freiburg i. Br.: Herder 2019.
Gibts auch ein Gesicht hinter dem BACKWINKEL-Blog? Ja. Vier ?. Drei davon sogar mit Foto.
Wir – Lukas, Tatjana, Stefan und Christine – bespielen unseren Blog unter dem Motto LACHEN LESEN LERNEN.
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Gemeinsam suchen wir ständig nach neuen, aufregenden Themen rund um das Thema Bildung im Kiga, der Schule und zu Hause. Und weil Sie da an der Quelle sitzen, freuen wir uns auf Ihre konstruktiven Rückmeldungen und Anregungen an blog@backwinkel.de
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