Selbstbewusste Entwicklung im Portfolio: So setzen Sie die Portfolioarbeit in Kindergarten und Krippe konkret um
Christine Hagemann
Zur Entwicklungsdokumentation im Kindergarten werden auch Mal- und Bastelarbeiten gesammelt. Das Kind erhält sie in einer Mappe zum Abschluss seiner Kindergartenzeit. Doch das Portfolio ist weit mehr als eine Sammelmappe.
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Als Erzieher beobachten Sie die Kinder gezielt, protokollieren Ihre Beobachtungen und besprechen sie im Team. Die meisten Kitas wenden Beobachtungsbögen an, um den Entwicklungsstand des Kindes besser einschätzen zu können. Der Beobachtungsbogen ist auch Grundlage für die regelmäßigen Entwicklungsgespräche mit den Eltern. Im Hinblick auf kindliche Selbstbildungsprozesse reicht diese Form der Dokumentation aber nicht aus.
Damit das Kind selbst erkennt, welche Lern- und Entwicklungsfortschritte es im Laufe der Zeit macht, entscheiden sich immer mehr Kitas, mit dialogischen Portfolios zu arbeiten. Dadurch wird erreicht, dass Kinder sich aktiv und selbstbewusst mit ihren Lernfortschritten auseinandersetzen. Doch wie wird Portfolioarbeit im Kita-Alltag konkret umgesetzt? Erfahren Sie im Folgenden, was Sie für die Portfolioarbeit benötigen und wie Sie ein Portfolio erstellen.
Inhalt
1. Was ist ein Portfolio?
1.1 Was ist der Kerngedanke beim dialogischen Portfolio?
1.2 Welche Ziele verfolgt das Portfolio im Kindergarten?
2. Wie ist ein Portfolio aufgebaut?
2.1 Welche Struktur hat das Portfolio?
2.2 Was kommt alles ins Portfolio – und was nicht?
3. Wie funktioniert die praktische Arbeit mit dem Portfolio in der Kita?
3.1 Was sind Portfolio-Tage?
3.2 Wie wird das Portfolio in der Krippe eingesetzt?
4. So integrieren Sie das Portfolio in den Kita-Alltag: Tipps und Methoden
Dokumentation ist immer auch Erinnerungsarbeit. Vielleicht haben Sie Ihre eigene Kindergarten-Werkemappe aufbewahrt und blättern ab und zu gerne darin? Für Ihre Kinder sind die Eindrücke noch unmittelbarer: Beim Blättern im Portfolio erinnern sie sich an frühere Erlebnisse und sind stolz darauf, was sie geleistet haben. Zugleich erkennen sie, dass sie ihre Fähigkeiten in vielen Bereichen ausgebaut haben. Das verbessert ihre Selbstwahrnehmung und schafft Selbstvertrauen.
Wie ist ein Portfolio aufgebaut?
In der Kita-Praxis hat es sich bewährt, das Portfolio als Ordner mit Klarsichthüllen anzulegen. In den Hüllen finden auch Bastelarbeiten ihren Platz und die Werke der Kinder sind beim Blättern immer gut geschützt. Jeder Ordner erhält ein Namensschild, am besten mit einem Foto des Kindes, und kann individuell verziert werden.
Welche Struktur hat das Portfolio?
Die Einführung beginnt mündlich in der Gruppe: Die Kinder erarbeiten spielerisch die relevanten Merkmale für eine Personenbeschreibung. Aus diesen Merkmalen entwickeln sie einen Schreibplan. Dazu eignet sich z. B. eine Detektiv-Thematik.
Auch wenn es für die Portfolioarbeit keine starren Regeln gibt, sollte es doch eine gewisse Ordnung haben, die für die Kinder nachvollziehbar ist. Die Sammlung lässt sich zum Beispiel mit Trennblättern in einzelne Kapitel unterteilen. Verschiedene Farben oder Symbole erleichtern es den Kindern, neue Blätter einzugliedern. Die Abfolge sollte chronologisch sein, damit die Kinder ihre Fortschritte erkennen können.
Die Gliederung des Portfolios kann die unterschiedlichen Bezüge der gesammelten Dokumente zur Identität, zu den Kompetenzen, Interessen und Aktionen des Kindes wiederspiegeln. Dies erleichtert den Kindern, den Dokumenten Bedeutungen zuzuweisen, die mit der eigenen Person und ihrer Vorstellung von der Welt verbunden sind.
Die Kapitel im Portfolio können diesen Gesichtspunkten folgen:
- Das bin ich
- Das kann ich
- Das interessiert mich
- Damit haben wir uns beschäftigt
- Schöne und besondere Ereignisse
- Meine Lieblingslieder und -reime
- Meine schönsten Bilder
Was kommt alles ins Portfolio – und was nicht?
Das Portfolio ist ein Dokument des Selbstbildungsprozesses, daher sollte es wichtige Meilensteine und möglichst viele Facetten des individuellen Entwicklungsweges abbilden. So können auch verschiedene Formen von Dokumenten ins Portfolio aufgenommen werden.
Diese Dokumente gehören in jedes Portfolio:
- Bilder und Zeichnungen des Kindes
- Bastelarbeiten des Kindes
- Fotos von Aktionen und Produkten
- situative Aussagen und Kommentare des Kindes
Dazu passen auch „Erinnerungsstücke“ wie beispielsweise:
- Gruppenfotos
- Schnappschüsse von Ausflügen
- Einladungen
- Briefe von Erwachsenen
- Zeitungsausschnitte
In welcher Form – und ob überhaupt – Beobachtungen der Erzieher ins Portfolio einfließen sollten, ist bei Fachleuten umstritten. Die Beschreibung von Kinderverhalten aus Erwachsenensicht, wie im Beobachtungsbogen protokolliert, gehört sicher NICHT ins Portfolio. Viele Erzieher stellen daher Lerngeschichten in Briefform ins Portfolio. Das Kind wird persönlich angesprochen in einer Sprache, die es versteht.
Ein wertschätzender Brief, in dem die Erzieherin die beobachteten Lernerfahrungen in eine Botschaft für das Kind umwandelt, drückt Sympathie, Anerkennung und Ermutigung aus.
Genau genommen geht ein solcher Text aber am Kerngedanken des Portfolios vorbei. Geeigneter sind Texte, in denen die Kinder zu Wort kommen. Authentische Kinderaussagen spiegeln die Entwicklung des Denkens und Empfindens oft sehr prägnant.
Wie funktioniert die praktische Arbeit mit dem Portfolio im Kindergarten?
Die Dokumente im Portfolio sind immer ausgesucht, nicht wahllos gesammelt. Daher erfolgt die Portfolioarbeit nicht nebenbei, sondern an bestimmten Tagen, einmal pro Woche oder in einer regelmäßigen Portfolio-Woche. So wird allen Beteiligten deutlich: Portfolioarbeit ist Bildungsarbeit.
Was sind Portfolio-Tage?
An den Portfolio-Tagen sichten und sortieren die Kinder ihre zwischenzeitlich gesammelten Werke. Jedes Kind entscheidet selbst, was eingeordnet wird und was nicht. Kinder entwickeln schnell ein Gespür, ob ihnen etwas besonders gut gelungen ist, und möchten von sich aus nicht alles aufbewahren, was sie gemalt und gebastelt haben.
Wie wird das Portfolio in der Krippe eingesetzt?
Das Portfolio-Konzept bietet sich auch für Kinder unter drei Jahren an. Nur brauchen die Kleinen im Umgang mit dem Portfolio mehr Hilfestellung. Da ihre Fähigkeit zur Selbstreflexion noch nicht ausgeprägt ist, stehen emotionale Anerkennung und persönliche Wertschätzung an oberster Stelle. So können die Kleinen ein positives Selbstbild aufbauen.
In ihrer Krippenzeit machen Kinder enorme Entwicklungsschritte, vor allem im Hinblick auf ihre motorischen und sprachlichen Fähigkeiten. In dieser Phase sind auch freundliche Briefe der Erzieher sinnvolle Dokumente. Häufig wird das Krippenportfolio im Kindergarten weitergeführt: Durch die Entwicklungsbriefe kann das Kind nachvollziehen, auch wenn es sich kaum daran erinnert, welche Fortschritte es schon als Kleinkind gemacht hat.
So integrieren Sie das Portfolio in den Kita-Alltag: Tipps und Methoden
Gegenwärtig hat das Portfolio im pädagogischen Bereich einen hohen Stellenwert – sowohl im Hinblick auf die kindliche Selbstbildung als auch in der Kommunikation mit Eltern und Grundschule. Es gibt bereits Projekte, in denen sich die Kinder zur Einschulung mit ihrem Portfolio bei der Grundschule vorstellen.
Das Portfolio ist eine vorzeigbare Dokumentation, das die individuelle Bildungs- und Lernentwicklungen anschaulich abbildet. Manche Erzieher empfinden das als Druck und die Arbeit am Portfolio als zusätzliche Belastung im Kita-Alltag. Dabei lässt sich in der Praxis vieles vereinfachen. Lesen Sie im Folgenden, wie Sie die Beschäftigung mit dem Portfolio stressfrei umsetzen.
Mit diesen 5 Tipps erleichtern Sie Ihre Portfolioarbeit in der Kita:
- Ausgewählte Produkte abheften
Ins Portfolio kommen nur ausgewählte Produkte der Kinder. Das bedeutet, kreative Arbeiten werden nicht eigens für das Portfolio angefertigt. Auch gibt es keine festen Regeln, nach denen ein Portfolio ganz bestimmte Elemente enthalten müsste. Versuchen Sie stattdessen, die persönlichen Interessen der Kinder festzuhalten. Bei einem Kind kann das ein selbst gemaltes Bild sein, beim nächsten das Foto eines Projektes, auf das es besonders stolz ist. Im Idealfall sieht das Portfolio bei jedem Kind unterschiedlich aus.
- Kinder bei der Gestaltung entscheiden lassen
Die Kinder selbst sind die „Verfasser“ ihrer Entwicklungsdokumentation. In der Praxis bringt das keine Mehrarbeit, im Gegenteil, es kann sogar viel Zeit sparen, wenn Sie die Kinder mit einbeziehen. Fragen Sie das Kind, ob es ein Werk in sein Portfolio aufnehmen möchte oder nicht. Vermeiden Sie jedoch, das Kind zu bevormunden. Wenn es darum geht zu erkennen, welche Erlebnisse und Produkte für ein Kind Bedeutung haben, ist das Kind selbst der beste Experte.
- Spontane Gelegenheiten finden
Da die Kinder über den Inhalt ihrer Sammlung bestimmen, kann es natürlich sein, dass manche Portfolios prall gefüllt und andere spärlicher bestückt werden. Das ist völlig in Ordnung und kein Grund zu handeln. Nicht jedes Kind malt gerne, vielleicht baut es lieber konzentriert, werkelt stundenlang im Sandkasten oder spielt begeistert in der Puppenecke. Um momentane Lernsituationen im Bild festzuhalten, hilft es, wenn eine Digitalkamera griffbereit ist. Dazu benötigen Sie keine Vorbereitung, eine Handykamera genügt.
- Kopierfähige Vorlagen nutzen
Ein Portfolio ist kein standardisiertes Produkt, dennoch gibt es Möglichkeiten, mit fertigen Vorlagen zu arbeiten. So können Sie beispielsweise im Kapitel „Das bin ich“ einen vorgedruckten Steckbrief verwenden. Die persönlichen Angaben der Kinder dazu, welches ihr Lieblingstier ist oder womit sie sich gerade am liebsten beschäftigen, spiegeln ihre unverwechselbare Persönlichkeit wieder und haben eine große Aussagekraft über ihren Entwicklungsstand. Setzen Sie diesen Fragebogen in einer Gruppe jedes Jahr wieder ein, so kann auch das Kind in der Rückschau gut vergleichen, wie es sich vom Kleinkind- bis ins Vorschulalter weiterentwickelt hat.
- Kindern das Wort geben
Der wesentliche Gedanke des Portfolio Konzeptes ist, es Selbstaussagen der Kinder zu dokumentieren. Dazu gehört auch, sprachliche Mitteilungen festzuhalten, wie es beispielsweise in der Reggio-Pädagogik zur Dokumentation von Kinderaktivitäten üblich ist. Geben Sie den Aussagen der Kinder einen besonderen Stellenwert im Portfolio.
So wecken Sie den „Autorenstolz“ der Kinder:
- Die Kinder kommentieren ihre Bilder, indem sie einen Bildtitel erfinden oder eine kurze Erklärung hinzufügen. Dies entspricht dem kindlichen Bedürfnis nach sozialer Anerkennung und Konstruktion von Sinn.
- Die Kinder erläutern Fotos, hierbei stellen sie einen Sinnzusammenhang her. So kann ein Kind an einem Portfolio-Tag oder in einer Portfolio-Woche einem Bild nachträglich persönliche Bedeutung verleihen. Das fördert die Fähigkeit, mediale Eindrücke zu filtern und in eigene Sinnzusammenhänge einzufügen.
- Die Kinder werden in Gespräche einbezogen, die aufgezeichnet und verschriftlicht werden. Beispielsweise in Dialoge oder Interviews, die an besondere Anlässe anknüpfen. Das können aber auch die Antworten von Kindern zu Fragen in kleinen Fragebögen sein.
Das Portfolio ist ein Medium der Kommunikation. Es knüpft Beziehungen zwischen dem Kind und seiner Biografie, aber auch zu seinen Eltern, zu Erzieherinnen und zu anderen Kindern. Das Portfolio kann – wenn das Kind einverstanden ist – das Entwicklungsgespräch mit den Eltern konkreter machen. Oder Sie gehen einen Schritt weiter und führen ein Dreiecksgespräch mit Kind und Eltern. Es entstehen konstruktive Portfolio-Gespräche, in denen das Kind zu Wort kommt.
Was Sie interessieren könnte:
Zum Weiterlesen:
Antje Bostelmann: Das Portfolio-Konzept für Kita und Kindergarten. Mülheim a. d. Ruhr (Verlag an der Ruhr) 2007.
Melanie Gräßer, Eike Hovermann (Hrsg.): Portfolio, Lerngeschichten & Co. Entwicklungsschritte von Kita-Kindern erkennen, sichtbar machen und dokumentieren. Praxisratgeber der Akademie für Kindergarten, Kita und Hort. Stuttgart (Klett Kita) 2019.
Tassilo Knauf: Kindern im Portfolio das Wort geben (2011) https://kindergartenpaedagogik.de/fachartikel/beobachtung-und-dokumentation/2180
Marion Lepold, Theresa Lill: Dialogisches Portfolio. Alltagsintegrierte Entwicklungsdokumentation. Freiburg i. Br. (Herder) 2017.
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